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Ehrlichkeit

Ehrlichkeit zahlt sich aus.

Rainer Brüderle, unser geliebter Wirtschaftsminister, hat sich durch seine vielleicht etwas lockere, aber dafür umso aufrichtigeren Aussage, dass das „Atom-Memorandum“ lediglich dem Wahlkampf geschuldet sei, in die Herzen der Menschen geredet, beinahe zumindest. Dabei ist es egal, dass dieses Bekenntnis beim BDI hinter verschlossenen Türen gefallen ist oder der Minister vielleicht in einer seiner berühmten Weinlaunen war. Inzwischen hat der BDI-Geschäftsführer seinen Hut genommen und damit für die „Indiskretion“, dass das Protokoll mit den brisanten Äußerungen an die Öffentlichkeit gekommen ist, die Verantwortung übernommen. Ein klassisches Bauernopfer halt..

Und da sich aber Ehrlichkeit auszahlen sollte, sollte das deutsche Volk überlegen, welche Ehre wir dem guten Herrn Brüderle zuteil werden lassen. Man könnte z.B. die Gründung eines parteiübergreifenden Fanclubs in Betracht ziehen. Oder ihm ein Fläschchen Wein zuschicken. Wahrscheinlich freut er sich über letzteres mehr als über unsere Zuneigung.

Übrigens: BILD gehörte zu den Onlinemedien, die Herrn Brüderles Aussage ganz lange nicht als Nachricht hatten. Und als es dann nicht vermeidbar war (Spiegel Online hatte diese Nachricht stundenlang als Topnachricht auf der Startseite), war es nur ein kleiner Artikel über einen „Patzer“. Aber BILD ist ja überparteilich..

Atomkraft im Wahlkampf

Liebes Wahlvolk,

in diesen Tagen versucht die Bundespolitik unter boshafter Ausnutzung der Geschehnisse im fernen Japan Stimmung zu machen, um bei den anstehenden Landtagswahlen Kapital zu schlagen oder den Schaden zu begrenzen. Ich schreibe bewußt „Bundespolitik“, denn die Opposition steht der Regierung in Dreistigkeit und Schamlosigkeit leider in nichts nach.

Fangen wir mit dem Guten an, wenn man das etwas zynisch zu sagen möchte: die Folgen des schweren Erdbebens in Japan auf die dortigen Atomkraftanlagen haben uns sehr schön vor Augen geführt, dass diese Technologie im Fall der Fälle unkontrollierbare Risiken birgt. Dies führt zu einer Diskussion über die Zukunft der Atomkraft in unseren Breitengraden. Diese Diskussion kann man nur begrüßen, denn die Bilder aus Japan zeigen uns eindrucksvoll, dass wir diese schlimmen Konsequenzen selbst bei allergeringster Wahrscheinlichkeit hier nicht wollen.

Doch damit hören die guten Auswirkungen auf, denn plötzlich drehen Opposition und Regierung am Rad. Unter wahrscheinlich gesetzeswidrigen Umständen dreht sich die Regierung um 180 Grad und nimmt einige ältere Atomkraftwerke vom Netz, um die Sicherheit innerhalb dreier Monate zu prüfen. Es handelt sich übrigens um Atomkraftwerke, von denen die Regierung bei der Verlängerung der Laufzeiten von Atomkraftwerken als „absolut sicher“ gesprochen hat. Nun aber könnte die Sicherheit unter Umständen nicht gegeben sein, wobei einige Unionspolitiker hier das Horrorszenario des Anschlags mit einem Flugzeug heranziehen.

Dagegen gibt es einiges zu sagen:

  • drei Monate werden bei siebzehn deutschen Atomkraftwerken niemals für eine unabhängige Untersuchung der Sicherheitsstandards reichen. Das Ergebnis der Untersuchungen wird also kaum ernstzunehmen sein, wahrscheinlich steht es sogar schon jetzt fest.
  • die Abschaltung der Einspeisung des erzeugten Stroms (also das „Vom-Netz-Nehmen“) ist im Falle eines Flugzeugabsturzes auf die Atomkraftanlage für den dann folgenden Super-GAU völlig unerheblich, denn alle Materialien für den Super-GAU sind weiterhin vor Ort und aktiv. Die Regierung hat „unsere“ Sicherheit durch diese Maßnahme nicht verbessert.
  • wenn man jetzt für irgendwelche Horrorszenarien Angst hat, dass die Sicherheit der Atomkraftwerke nicht ausreicht, hätte man diese Angst doch auch schon vor und bei der beschlossenen Verlängerung der Laufzeiten haben müssen. Flugzeugattentate und andere Terrormethoden kannte man ja auch damals schon. Die Gefahren mussten der Regierung also schon länger bewußt sein.

Natürlich nimmt die Regierung so den Gegnern der Atomkraft und vor allen Dingen der Opposition die Luft aus den Segeln – indem sie heiße Luft verbreitet. Diese Maßnahme ist unnötig, wirkungslos und wahrscheinlich wird sie auch noch teuer, wenn nämlich die Energiewirtschaft freundlich, aber bestimmt die finanziellen Ausfälle geltend macht, die auf Grund einer juristisch fragwürdigen Entscheidung der Regierung zustande gekommen sind.

Doch auch der Opposition muss man klar sagen, dass ihre verzweifelten Versuche, die Atomkatastrophe in Japan hier für ihre Zwecke zu instrumentalisieren, unanständig und durchschaubar sind.

Sehen wir es realistisch: die Wahrscheinlichkeit, dass wir in den nächsten Tagen von Terroranschlägen oder Erdbeben heimgesucht werden, die ähnliche Ausmaße wie in Japan haben, ist äußerst gering. Ja, es ist notwendig, den gesellschaftlichen Konsens von 1998, als SPD und Grüne auch wegen ihres geplanten Atomkraftausstieg an die Macht kamen, wiederherzustellen. Dies sollte aber nicht auf Grund von künstlicher Panik innerhalb weniger Tage über das Knie gebrochen werden. Unsere Gesellschaft muss einen klaren Weg finden, wie man zukünftig Energie gewinnen möchte, die idealerweise rückstandslos und sicher gewonnen wird. Und noch besser wäre es, wenn dieser Prozess auch über die Landesgrenzen hinweg in Europa Fahrt aufnehmen würde. Sicherlich kann Deutschland dabei eine Vorreiterrolle einnehmen, was auf langer Sicht auch unserer Wirtschaft zugute kommt, aber allein können wir die Welt nicht verbessern.

Deshalb, liebes Wahlvolk, laßt euch in diesen Tagen weder von der Regierung noch von der Opposition Sand in die Augen streuen. Die Frage nach der Atomkraft ist eine wichtige, aber das ist sie nicht erst seit der Katastrophe in Japan. Sie ist spätestens seit 1986 ein unterschwelliges Dauerthema, das nun einmal aufkocht. Aber diese Frage und das Verhalten der einzelnen Parteien dazu in diesen Fragen sollte eure Wahl nicht beeinflussen. In euren jeweiligen Bundesländern stimmt ihr nicht für oder gegen die Kernkraft. Ihr wählt euer Landesparlament, das sich um Fragen wie Schulsysteme, lokale Großbauprojekte und ähnliches zu kümmern hat.

Bitte denke daran, liebes Wahlvolk, wenn du an der Urne stehst.

Dein Marcus

Wahlen 2011: meine Stimmung?!

Ich habe mal den Wahl-O-Mat für die nächsten Landtagswahlen ausgefüllt und möchte euch die Ergebnisse nicht vorenthalten. Einschränkend muss man erwähnen, dass ich bei landesspezifischen Fragen mich „neutral“ bekannt habe anstatt sie zu überspringen, womit ich mich ungewollt mancher Partei zuordnen. Dazu kommt, dass einige Themen, zu denen man sich äußern sollte, eher bundespolitisch orientiert waren. Und schlußendlich konnte man nur acht Parteien auswählen, deren Meinung mit den eigenen Daten abgeglichen wurden. Da mag es passiert sein, dass kleinere Parteien, die eine größere Übereinstimmung mit meinen Positionen gehabt hätten, leider nicht zur Anzeige gekommen sind.

Deshalb genießt diese Grafiken meiner vermeintlichen Stimmungslagen mit Vorsicht.

Baden-Würtemberg

Rheinland-Pfalz

Zehn für Zehn

Wenn´s nicht von BILD.de wäre, hätte es dieses Spielerei mit den Zahlen auch von mir sein können:

10% wollen E10 tankenObwohl man sagen muss: 10% für E10 sind ganz gut. Die FDP wäre bei den kommenden Wahlen froh, über einen derartigen Anteil.

Weniger Netto vom Brutto

Vor der Bundestagswahl 2009 war die FDP die einzige (größere) Partei, die auf Wahlplakaten mit „Mehr Netto vom Brutto“ etwas halbwegs Greifbares versprochen hat. Und unglaublicherweise gab es für den Normalverdiener wie mich am 1. Januar 2010 eine halbwegs angenehme Überraschung, als ich etwa 0,85% mehr Netto auf dem Lohnstreifen vorfand. Das ist nicht wirklich eine spürbare Erleichtung, denn die Teuerungsrate ist deutlich größer als diese Erleichtung und die Lohnsteigerungen gemeinsam. Trotzdem hätte man es als nettes Zeichen werten können..

Dumm nur, wenn inzwischen dank Änderungen im Gesundheitswesen, genau dieses Netto wieder sinkt. Ich gebe zu bedenken, dass der Gesundheitsminister Mitglied eben jener Partei ist, die uns Wählern mehr Netto vom Brutto versprochen hat.

Daher habe ich via Twitter die FDP gefragt, wie es denn mit dem damaligen Wahlversprechen steht.

@fdp_de – Wenn ich heute auf meine Lohnabrechnung schaue, frage ich mich, wo denn das 2009 versprochene mehr Netto vom Brutto geblieben ist.

Die Antwort kam einige Stunden später:

@elroyguess Zum Beispiel hier http://tinyurl.com/28hvhkw ..aber immer noch gilt: Sparen bleibt wichtigstes Ziel http://tinyurl.com

Natürlich ist es grundsätzlich schön, wenn Parteien versuchen, die Fragen von Bürgern zu beantworten, aber irgendwelche Werbestatements können nicht darüber hinwegtäuschen, dass ich inzwischen ohne Lohnerhöhungen weniger Netto vom Brutto hätte als vor der Wahl 2009. Es ist ja lobenswert, wenn die FDP versucht, durch Steuererleichterungen Spielraum für Steuerentlastungen zu schaffen (man beachte die vagen Formulierungen im Statement von Frau Homburger), aber irgendwelche Zielerklärungen helfen nicht, wenn man de facto weniger in der Tasche hat als vor dem Regierungsantritt der FDP.

Aber der Fakt „Weniger Netto vom Brutto“ dürfte momentan das geringste Problem der FDP sein.

Das Kind bleibt im Brunnen

Es ist ja toll, dass die FDP langsam bemerkt, dass die großen Hoffnungen, die viele Wähler in sie gesetzt haben, eine zu große Bürde waren und folglich enttäuscht wurden. Inzwischen sind die Umfragewerte so niedrig, dass bei der Sonntagsfrage der Einzug in den Bundestag gefährdet scheint.

Ich lüfte insofern mein Wahlgeheimnis, als dass ich mich dazu bekenne, die FDP nicht gewählt zu haben. Im immer komplexer werdenden Parteienspektrum gibt es durchaus Gründe, mit der Wahl der Liberalen zu liebäugeln. Doch letztlich habe ich mich für eine andere Partei entschieden.

Zum Glück.

Denn die FDP hat sich mit einer einzigen Entscheidung unwählbar gemacht. Wenn eine schwarz-gelbe Regierung den Mehrwertsteuersatz für eine Interessengruppe senkt, die "rein zufällig" zu den größten Spendern der FDP gehört, dann ist das derartig dreist, dass alle guten Versprechungen der FDP mit einem Schlag ausgelöscht sind. Im Wahlkampf redete man zwar von Steuersenkung, das Wahlvolk verstand darunter aber eine Steuersenkung für alle, nicht nur für Spender. Dass diese Mehrwertsteuersenkung inhaltlich komplett sinnlos ist, darf man daran festmachen, dass für Unternehmen die Übernachtungen letztlich teurer geworden sind. Natürlich haben die Hoteliers die Bruttopreise nicht gesenkt, so dass nach der Absenkung der Mehrwertsteuer die Nettopreise gestiegen sind. Zu Zeiten der Aschewolke über Europa konnte man übrigens die große gesellschaftliche Verantwortung der Hoteliers erleben, die gleich mal die Preise kräftig erhöht haben, um die gestrandeten Reisenden so richtig auszuquetschen damit die Steuereinnahmen steigen.

Die FDP hat offenbar gelernt, dass diese Steuerentscheidung zu offensichtliche Lobbypolitik war. Aber das Kind ist schon in den Brunnen gefallen und die Kanzlerin macht keinerlei Anstalten, bei der Bergung des ertrinkenden Kindes zu helfen.

Mäßige Kür

Die Kür der Kandidaten für das Amt des Bundespräsidenten scheint gelaufen, wen DIE LINKE nun noch als Quotenkandidatin stellt, macht keinen entscheidenden Unterschied. Allerdings gibt es beim Verlauf der Kandidatenkür Licht und Schatten zu vermelden.

Meine größte Sorge war, dass die Unionspartei einen aktiven Minister zum Präsidenten küren würde. Ehrlicherweise fand ich die gehandelten Namen erschreckend, da die beiden Minister beide schon durch das Einbringen von grundgesetzverachtenden Gesetzen auffällig geworden sind, aber das ist hier nicht der Punkt. Einem fliegenden Wechsel von der Regierungsbank ins Präsidentenamt würde unweigerlich anhängen, dass es mit der Neutralität und der Distanz des Präsidenten nicht weit her wäre. Wer gerade noch Sparmaßnahmen im Namen der Kanzlerin verkündet hat, soll plötzlich der Präsident aller Deutschen sein?! Es wäre doch äußerst zweifelhaft, dass eine Frau von der Leyen oder ein Herr Schäuble bei allen Gesetzen und Maßnahmen die notwendige Distanz gehabt hätte, um ggf. die Unterschrift unter ein verfassungswidriges Gesetz zu verweigern oder mahnende Worte auszusprechen, falls die Waage den Gerechtigskeitsbereich verläßt. Von daher ist es gut, dass diese Gedanken verworfen wurden.

Leider ist der gefunde Kandidat Christian Wulff nur sehr bedingt eine bessere Wahl. Er ist momentan als Ministerpräsident von Niedersachsen nicht nur Mehrheitsbeschaffer der Regierung im Bundesrat, er sitzt auch im Vorstand der CDU. Es muss in meinen Augen zwar nicht gerade ein überparteilicher Kandidat sein, aber ich hätte mir schon etwas mehr Distanz zur aktiven Politik gewünscht. Vieles von dem, was in den nächsten Jahren auf uns zukommt, wurde von Herrn Wulff aktiv mitgestaltet und vorbereitet, so dass man sehr genau aufpassen muss, ob das Präsidentenamt hier nicht zum verlängerten Regierungsarm wird.

Für Frau Merkel ist der Kandidat Christian Wulff natürlich ideal. Während ein Regierungsmitglied im Schloß Bellevue zwar kurzfristig geholfen hätte, durch Personalbewegungen z.B. den momentanen NRW-Ministerpräsidenten Rüttgers nach Berlin zu holen, um in NRW den Weg für eine Koalitionseinigung frei zu machen, hat Wulffs Kandidatur einen ganz anderen Vorteil für Angela Merkel. Innerparteilich ist Wulff auf Dauer die beste und einzige Alternative zu Angela Merkel, besonders nachdem Roland Koch die Politik verlassen möchte und Jürgen Rüttgers durch seine Wahlpleite an Einfluß verloren hat. Wulff ist wie Merkel inhaltlich kaum zu fassen, ein Politprofi durch und durch, der gegenüber Merkel momentan den Vorteil des Erfolgs hat. Zudem ist Katholik und männlich, was auf lange Sicht innerhalb der CDU und besonders in Merkels momentaner Schwächephase ebenso ins Gewicht fallen würde. Als Präsident ist Wulff aber keine Gefahr für die Machtpolitikerin Angela Merkel. "Wegloben" könnte man das auch nennen.

Jetzt müßte man eigentlich frohlocken, dass SPD und Grüne diese schwache Kandidatenkür der Regierungsparteien locker ausgekontert und mit Joachim Gauck einen Mitbewerber gefunden haben, der vieles mitbringt, was man sich von einem Präsidenten wünscht. Er hat politische Erfahrungen gesammelt, ohne direkt Politiker zu sein. Er ist durchaus sympathisch, redegewandt und sogar halbwegs bekannt im Volk. Und auch ich könnte gut mit Herrn Gauck als Präsidenten leben, hat er doch inzwischen auch genug Distanz zwischen der aktiven Politik und sich selbst gebracht.

Und da Herr Gauck über die Parteigrenzen hinweg eine anerkannte Person ist, hätte es vielleicht sogar zum ganz großen Coup reichen können, denn 21 Stimmen hätte Herr Gauck in der Bundesversammlung vielleicht tatsächlich aus dem Regierungslager gewinnen können. Doch einen Fehler haben SPD und Grüne dann doch gemacht: sie haben DIE LINKE außen vor gelassen. Mindestens 124 Stimmen hat DIE LINKE, an die Herr Gauck im ersten Wahlgang bestimmt nicht kommen wird. Hier "rächt" sich seine Vergangenheit als Aufarbeiter der Stasi-Vergangenheit, denn DIE LINKE als Quasi-Nachfolgeorganisation der SED wird nicht gerade von einem Präsidenten träumen, dessen berufliche Arbeit es war, die Sünden der Parteivergangenheit (und der Vergangenheit einiger Politiker der Partei) aufzudecken.

So gut die Kür von SPD und Grüne ist, strategisch war sie wahrscheinlich unklug. Ein ähnlicher Kandidat, den man vorher mit DIE LINKE abgestimmt hätte, hätte gegen Herrn Wulff bestimmt eine gute Chance gehabt. Nun aber muss man befürchten, dass spätestens im zweiten Wahlgang der Bundesversammlung die Regierungsmehrheit stehen wird und unser nächster Bundespräsident Christian Wulff heißen wird.

Aber vielleicht erleben wir am 30. Juni (übrigens ein WM-freier Tag) ja eine Überraschung..

Wer hat uns verraten?

Historische Sprüche hat DIE LINKE während des NRW-Landtagswahlkampf ausgepackt:

Denn wer hat uns verraten? Sozialdemokraten

Und nun buhlt eben jene LINKE um die Gunst dieser "Verräter"

NRW-Wahl 2010: Nachbetrachtung

Das vorläufige Endergebnis für die gestrige Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen liegt nun vor, doch welche Folgen hat es.

Durch die Sitzverteilung ist eine Pattsituation eingetreten. Keines der beiden klassischen Lager hat eine regierungsfähige Mehrheit, sowohl Rot-Grün als auch Schwarz-Gelb wird es nicht geben. Die LINKE könnte erstes dulden oder ergänzen, eine große Koalition geht natürlich auch. Die sogenannte "Ampel" bzw. "Jamaika" wurden von der FDP bzw. den GRÜNEN im Vorfeld abgelehnt. Selbst im Angesicht des Wahlergebnis´ glaube ich da auch nicht an einen Sinneswandel.

Es gibt letztlich einen klaren Gewinner der Landtagswahl: DIE LINKE. Sie haben sich im bevölkerungsreichten Bundesland als Protestpartei etabliert, sind in den Landtag eingezogen und können, wenn sie besonders unklug sind, sogar an einer Regierung mitwirken. Zwar hat sich die Spitzenkandidatin gestern im Fernsehen noch einmal nach allen Regeln der Kunst blamiert, aber da war es schon zu spät. DIE LINKE hat alle Ziele erreicht und ist deshalb die ganz große Siegerin der Landtagswahl.

Zahlenmäßig gibt es freilich eine noch erfolgreichere Partei: DIE GRÜNEN. 12,1% bei 5,9% Zuwachs sind ein enormes Ergebnis, das man unter anderen Umständen als Sieg auch ganzer Linie betrachten müsste. Der bittere Beigeschmack für DIE GRÜNEN ist die Tatsache, dass die Chancen groß sind, dass man trotz des Erfolgs seine Politik nicht in der Regierung machen kann. Die Option "Große Koalition" ist auf Grund der Zahlen zu wahrscheinlich, als dass DIE GRÜNEN ihren Erfolg so richtig genießen könnten.

Die größten Verlierer sitzen natürlich in den Reihen der CDU. Man mag über die Gründe streiten, aber einen Rückgang von 10,3% kann man nur als herbe Niederlage auffassen. Wobei ich das ganze auch mal gerade rücken will: 2005 hatte die CDU einen enormen Zuwachs, der auch nicht unbedingt auf eigene Leistung zurückzuführen war, sondern als Abwahl der damaligen Bundesregierung zu verstehen war. Nun ist dieser besondere Umstand weggefallen und man ist wieder auf dem bis dahin normalen Niveau angekommen. 1985, 1990, 1995 und 2000 hatte die CDU jeweils Zahlen um 37% eingefahren, die man nun mit 34,6% zwar unterbietet, was man aber auf einen gewissen Regierungsmalus zurückführen darf. Über einen längeren Zeitraum betrachtet ist das CDU-Ergebnis also gar nicht so dramatisch. Und wenn man bedenkt, dass die Regierungsbeteiligung noch möglich ist, relativiert sich der gestrige Frust vielleicht etwas. Und für den politisch sicherlich verbrannten Herrn Rüttgers hat sich ja gestern schon Herr Laschet im Fernsehen in Position gebracht, so dass die CDU offenbar schon vorbereitet ist, aus der Niederlage zumindest einen Teilerfolg zu machen.

Die FDP hat zwar leicht gewonnen, aber das von Little Guido herausposaunte Ziel von "10 + x" klar verfehlt. Und das war es auch schon, was man über die Liberalen sagen kann und muss. Landespolitisch steht die FDP nun im Abseits.

"Die SPD ist wieder da." – so jubelte Frau Kraft gestern. Warum eigentlich? Frau Kraft hat die SPD in ihrer einstigen Hochburg auf ein neuerliches Tief geführt. 34.5% gabe es zuletzt in den 1954 für die SPD. Der laute Jubel ist mir befremdlich, denn die eigene Position ist nur deshalb gut, weil die andere große Partei sich noch schwächer präsentierte. Sicherlich: eine neue Landesregierung wird mit höchster Wahrscheinlichkeit mit der SPD gebildet werden, man hat es quasi in der eigenen Hand. Aber die Zahlen rechtfertigen keinen Jubel..

Was kommt nun auf uns zu?

Realistisch betrachtet gibt es ja wohl nur zwei Option. Rot-Grün unter Einbeziehung oder unter Tolerierung der LINKEN ist eine zwar rechnerisch mögliche Konstellation, sie erfordert aber von allen Beteiligten viel Engagement und Nerven. Würde die SPD sich auf diese Möglichkeit festlegen, würde es intern schwer rumoren und die Umfragewerte würden enorm einbrechen. Das Risiko für die SPD wäre enorm hoch, auch die LINKEN können in dieser Konstellation nur verlieren, da sie plötzlich nicht mehr nur dagegen sein könnten. Andererseits muss man auch feststellen, dass Rot-Rot-Grün inhaltlich sicherlich gute Schnittmengen hat und so zumindest eine klare Richtung gehen könnte.

Die wahrscheinlichere Option ist die große Koalition. Gefahren gibt es dabei kaum welche, einzig bei der Personalfrage des Ministerpräsidenten wird es spannend, da beide Parteien über die gleiche Anzahl an Sitzen im Parlament verfügen und in der Prozentzahl nur minimal differieren. Der Nachteil der großen Koalition ist die verwässerte Politik. Man hat in der Bundespolitik sehen können, dass in jeder Sachfrage ein Kompromiss gesucht wird, der nie der große Wurf sein kann. Ob eine solche Politik NRW vorwärts bringt, wage ich zu bezweifeln.

Quelle für Zahlen: Wikipedia – Landtagswahlen in NRW

NRW-Wahl 2010: Wen soll ich wählen? – Wahltag

Heute ist Wahltag. Gegen Mittag werde auch ich meinen Astralkörper zum Wahllokal bewegen und meine Stimme abgeben. Doch es geht mir wie vielen meiner Leser in den letzten Tagen. Die Frage "Wen soll ich wählen?" bewegt mich.

Erschwert wird die Entscheidung durch die Auswirkung des Wahlergebnis´ auf die Bundespolitik. Würde die aktuelle Regierung unter Herrn Rüttgers abgewählt, verlöre die Bundesregierung ihre Mehrheit im Bundesrat. Die Folge wäre eine unerträgliche Konsenspolitik, unter der unser Land schon lange genug gelitten hat. Ich bin der Meinung, dass es durchaus Sinn macht, wenn ein Lager in der Lage ist, seine Politikvorstellungen unverwässert umzusetzen, auch wenn man die Ausrichtung selbst nicht mag. Ständige Kompromisse führen zu keinem vernünftigen Ergebnis, weil es in vielen Fragen keinen Mittelweg gibt.

Unter diesem Gesichtspunkt müßte ich ja irgendwie die aktuelle Landesregierung unterstützten, was aber auch nicht so leicht von der Hand geht. Zum einen ist da die Kehrseite der oben genannten Situation. Zwar mag es gut sein, wenn ein Lager seine Vorstellungen ungehindert durchsetzen kann, aber wenn man sieht, wie träge und wenig zielgerichtet die Merkel-Regierung bis jetzt gearbeitet hat, scheint es nicht gerade erstrebenswert, diesen Menschen freie Hand zu lassen. Ich erinnere mich mit Grauen an die Lobby-Steuersenkung für Hotelübernachtungen. Davon will ich nicht mehr erlebern.

Zum anderen hat sich Herr Rüttgers z.B. durch die Verkäufe von Gesprächen oder durch die Überwachung seiner Konkurrentin nicht gerade für eine weitere Amtszeit als Landesvater qualifiziert. Es ist von meinem Gefühl her nicht so, dass die bisherigen Ergebnisse der Landesregierung eine Wiederwahl besonders rechtfertigen. Damit habe ich zwar nichts über meine Vertrauen in die Opposition auf Landesebene geschrieben, aber meine Zwickmühle ist vorhanden.

Ich weiß lediglich, dass mein Kreuz ganz bestimmt nicht neben DIE LINKE stehen wird. Dieser bunte Haufen aus Seelenfängern und Frustrierten kann zwar hervorragend alles kritisieren, aber vernünftige Vorschläge, die auch realpolitisch umsetzbar wären, habe ich weder gehört noch gelesen. Dafür wird der NRW-Landeswahlkampf mit Bundesthemen wie Hartz IV bestritten. Als gäbe es in NRW nicht genug Landesthemen..

Wie auch immer meine Entscheidung am Stimmzettel ausfallen wird, ich kann nur jeden auffordern, wählen zu gehen. Demokratie lebt von der Teilhabe. Und Wahlen sind momentan die einzig echte direkte Teilhabe, die man als Bürger hat, wenn man nicht selbst in Gremien oder Parteien aktiv sein möchte.

Es ist egal, ob ihr links oder rechts, grün oder gelb oder wie auch immer wählt. Ob ihr Exoten wie der Partei bibeltreuer Christen oder Massenparteien wie der CDU eure Stimme geht, ist völlig gleich. Selbst das Ungültigmachen des Stimmzettels ist hundertmal besser als daheim zu bleiben, weil es immerhin eine Aussage ist. Wer nicht wählen geht, stimmt letztlich immer dem Ergebnis zu und kann sich folglich auch nicht beschweren.

Deshalb macht es wie ich: auch wenn die Wahl wirklich schwer fällt – geht wählen.