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Ehrlichkeit

Ehrlichkeit zahlt sich aus.

Rainer Brüderle, unser geliebter Wirtschaftsminister, hat sich durch seine vielleicht etwas lockere, aber dafür umso aufrichtigeren Aussage, dass das „Atom-Memorandum“ lediglich dem Wahlkampf geschuldet sei, in die Herzen der Menschen geredet, beinahe zumindest. Dabei ist es egal, dass dieses Bekenntnis beim BDI hinter verschlossenen Türen gefallen ist oder der Minister vielleicht in einer seiner berühmten Weinlaunen war. Inzwischen hat der BDI-Geschäftsführer seinen Hut genommen und damit für die „Indiskretion“, dass das Protokoll mit den brisanten Äußerungen an die Öffentlichkeit gekommen ist, die Verantwortung übernommen. Ein klassisches Bauernopfer halt..

Und da sich aber Ehrlichkeit auszahlen sollte, sollte das deutsche Volk überlegen, welche Ehre wir dem guten Herrn Brüderle zuteil werden lassen. Man könnte z.B. die Gründung eines parteiübergreifenden Fanclubs in Betracht ziehen. Oder ihm ein Fläschchen Wein zuschicken. Wahrscheinlich freut er sich über letzteres mehr als über unsere Zuneigung.

Übrigens: BILD gehörte zu den Onlinemedien, die Herrn Brüderles Aussage ganz lange nicht als Nachricht hatten. Und als es dann nicht vermeidbar war (Spiegel Online hatte diese Nachricht stundenlang als Topnachricht auf der Startseite), war es nur ein kleiner Artikel über einen „Patzer“. Aber BILD ist ja überparteilich..

Atomkraft im Wahlkampf

Liebes Wahlvolk,

in diesen Tagen versucht die Bundespolitik unter boshafter Ausnutzung der Geschehnisse im fernen Japan Stimmung zu machen, um bei den anstehenden Landtagswahlen Kapital zu schlagen oder den Schaden zu begrenzen. Ich schreibe bewußt „Bundespolitik“, denn die Opposition steht der Regierung in Dreistigkeit und Schamlosigkeit leider in nichts nach.

Fangen wir mit dem Guten an, wenn man das etwas zynisch zu sagen möchte: die Folgen des schweren Erdbebens in Japan auf die dortigen Atomkraftanlagen haben uns sehr schön vor Augen geführt, dass diese Technologie im Fall der Fälle unkontrollierbare Risiken birgt. Dies führt zu einer Diskussion über die Zukunft der Atomkraft in unseren Breitengraden. Diese Diskussion kann man nur begrüßen, denn die Bilder aus Japan zeigen uns eindrucksvoll, dass wir diese schlimmen Konsequenzen selbst bei allergeringster Wahrscheinlichkeit hier nicht wollen.

Doch damit hören die guten Auswirkungen auf, denn plötzlich drehen Opposition und Regierung am Rad. Unter wahrscheinlich gesetzeswidrigen Umständen dreht sich die Regierung um 180 Grad und nimmt einige ältere Atomkraftwerke vom Netz, um die Sicherheit innerhalb dreier Monate zu prüfen. Es handelt sich übrigens um Atomkraftwerke, von denen die Regierung bei der Verlängerung der Laufzeiten von Atomkraftwerken als „absolut sicher“ gesprochen hat. Nun aber könnte die Sicherheit unter Umständen nicht gegeben sein, wobei einige Unionspolitiker hier das Horrorszenario des Anschlags mit einem Flugzeug heranziehen.

Dagegen gibt es einiges zu sagen:

  • drei Monate werden bei siebzehn deutschen Atomkraftwerken niemals für eine unabhängige Untersuchung der Sicherheitsstandards reichen. Das Ergebnis der Untersuchungen wird also kaum ernstzunehmen sein, wahrscheinlich steht es sogar schon jetzt fest.
  • die Abschaltung der Einspeisung des erzeugten Stroms (also das „Vom-Netz-Nehmen“) ist im Falle eines Flugzeugabsturzes auf die Atomkraftanlage für den dann folgenden Super-GAU völlig unerheblich, denn alle Materialien für den Super-GAU sind weiterhin vor Ort und aktiv. Die Regierung hat „unsere“ Sicherheit durch diese Maßnahme nicht verbessert.
  • wenn man jetzt für irgendwelche Horrorszenarien Angst hat, dass die Sicherheit der Atomkraftwerke nicht ausreicht, hätte man diese Angst doch auch schon vor und bei der beschlossenen Verlängerung der Laufzeiten haben müssen. Flugzeugattentate und andere Terrormethoden kannte man ja auch damals schon. Die Gefahren mussten der Regierung also schon länger bewußt sein.

Natürlich nimmt die Regierung so den Gegnern der Atomkraft und vor allen Dingen der Opposition die Luft aus den Segeln – indem sie heiße Luft verbreitet. Diese Maßnahme ist unnötig, wirkungslos und wahrscheinlich wird sie auch noch teuer, wenn nämlich die Energiewirtschaft freundlich, aber bestimmt die finanziellen Ausfälle geltend macht, die auf Grund einer juristisch fragwürdigen Entscheidung der Regierung zustande gekommen sind.

Doch auch der Opposition muss man klar sagen, dass ihre verzweifelten Versuche, die Atomkatastrophe in Japan hier für ihre Zwecke zu instrumentalisieren, unanständig und durchschaubar sind.

Sehen wir es realistisch: die Wahrscheinlichkeit, dass wir in den nächsten Tagen von Terroranschlägen oder Erdbeben heimgesucht werden, die ähnliche Ausmaße wie in Japan haben, ist äußerst gering. Ja, es ist notwendig, den gesellschaftlichen Konsens von 1998, als SPD und Grüne auch wegen ihres geplanten Atomkraftausstieg an die Macht kamen, wiederherzustellen. Dies sollte aber nicht auf Grund von künstlicher Panik innerhalb weniger Tage über das Knie gebrochen werden. Unsere Gesellschaft muss einen klaren Weg finden, wie man zukünftig Energie gewinnen möchte, die idealerweise rückstandslos und sicher gewonnen wird. Und noch besser wäre es, wenn dieser Prozess auch über die Landesgrenzen hinweg in Europa Fahrt aufnehmen würde. Sicherlich kann Deutschland dabei eine Vorreiterrolle einnehmen, was auf langer Sicht auch unserer Wirtschaft zugute kommt, aber allein können wir die Welt nicht verbessern.

Deshalb, liebes Wahlvolk, laßt euch in diesen Tagen weder von der Regierung noch von der Opposition Sand in die Augen streuen. Die Frage nach der Atomkraft ist eine wichtige, aber das ist sie nicht erst seit der Katastrophe in Japan. Sie ist spätestens seit 1986 ein unterschwelliges Dauerthema, das nun einmal aufkocht. Aber diese Frage und das Verhalten der einzelnen Parteien dazu in diesen Fragen sollte eure Wahl nicht beeinflussen. In euren jeweiligen Bundesländern stimmt ihr nicht für oder gegen die Kernkraft. Ihr wählt euer Landesparlament, das sich um Fragen wie Schulsysteme, lokale Großbauprojekte und ähnliches zu kümmern hat.

Bitte denke daran, liebes Wahlvolk, wenn du an der Urne stehst.

Dein Marcus