Verzockt haben sich wohl die Herren Bierhoff und Löw – so zumindest ist der Eindruck nach dem vorläufigen Scheitern der Vertragsgespräche der Verantwortlichen für die Nationalmannschaft mit dem DFB. Von einem Handgeld für die Unterschrift in Millionenhöhe ist ebenso die Rede wie von einem Vetorecht für Bierhoff im Falle der Neubesetzung des Trainerpostens. Auf den ersten Blick mag das ganze tatsächlich etwas happig erscheinen.
Aber denkt man mal über die gesamte Situation nach, sind die Forderungen gar nicht mal so absurd. Handgelder in Millionenhöhe sind im Profifußball ganz normal. Wer erinnert sich nicht an die 20 Millionen Mark, die Sebastian Deisler für seinen Wechsel von Berlin nach München erhalten haben soll? Da ist ein Jahresgehalt, von dem im Falle Löw und Co. die Rede ist, eher ein kleiner Betrag. Zumal der DFB, seit 2004, als Löw an der Seite von Klinsmann die sportliche Verantwortung übernahm, enorme Steigerungen auf allen Ebenen aufweisen kann. Finanziell steht der DFB besser da als jemals zuvor. Die Nationalelf ist eine Gelddruckmaschine und daran trägt die Arbeit des Gespanns um Jogi Löw entscheidenden Anteil.
Denn untrennbar am finanziellen Erfolg des DFB ist die sportliche Konsolidierung gebunden. 2004 stand der DFB nach dem peinlichen Scheitern bei der EURO vor einem Scherbenhaufen. Und nun? 2006 WM-Dritter, 2008 Vize-Europameister und für die WM 2010 konnte sich das Team sehr souverän qualifizieren. Gut, spielerisch war das nicht immer überzeugend, aber die Ergebnisse sprechen eine deutliche Sprache für Löw und sein Team. Seit Franz Beckenbauer vor über 20 Jahren war kein Trainer(team) so konstant erfolgreich. Wer will es den Herren da verübeln, dass sie an der sehr guten Entwicklung in allen Bereichen auch einen finanziellen Anteil haben möchten?
Und was das vermutete Veto-Recht des Herrn Bierhoff angeht, so ist das doch nur zu leicht verständlich. In allen Vereinen, in denen ein Sportmanager oder sportlicher Direktor etabliert ist, hat dieser auch entscheidenden Einfluß auf die Trainerwahl. Schließlich geht es um die Person, mit der er vorwiegend arbeiten muss, da wäre eine Personalentscheidung gegen den Willen des Managers kontraproduktiv. Dass Herr Bierhoff sich vor solchen Konstellationen schützen will, ist zum einen sinnvoll und zum anderen eigentlich im Sinne des DFB.
Nun aber haben beide Seiten den Einsatz in diesem Pokerspiel enorm erhöht. Man möchte nach der WM über die neuen Verträge sprechen. Das ist für beide Seiten ein sehr hohes Risiko. Läuft die WM erfolgreich, sprich, die DFB-Elf erreicht mindestens das Halbfinale, hat der DFB kaum noch Spielraum und wird das Erfolgsteam halten müssen. Und das gibt Löw und Co. eine Verhandlungsposition, aus der noch viel weitreichendere Forderungen möglich sind. Schaffen es die DFB-Kicker in Südafrika aber nicht, erfolgreich zu spielen, stehen Bierhoff und Löw plötzlich im Abseits. Ihre Verträge sind dann abgelaufen und der DFB hat überhaupt keine Not mehr, die Herren in seinen Diensten zu halten. Plötzlich stünden Bierhoff, Löw und Flick mit dem Rücken zur Wand und eventuell auf der Straße.
Vielleicht sind ja die letzten Überlegungen für beide Seiten Anlaß genug, hinter den Kulissen noch vor der WM über die Verträge zu sprechen. Dem Fußball täte es sicherlich gut, wenn schnellstmöglich die sportlichen Aspekte wieder im Vordergrund stünden und nicht die durchaus berechtigten Forderungen der sportlichen Leitung.
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