Nein, was war das für eine Welle, die etwas zu spät durch die Blogs gegangen ist.
Der böse Jugendmedienschutz-Staatsvertrag schien der Quell allen Übels zu sein, fühlten sich doch viele Blogbetreiber durch die vermeintliche Alterskennzeichnungspflicht und Sendezeiten zur Einstellung ihrer Aktivitäten in der bisherigen Form gezwungen. Dumm nur, dass die ganze Aufregung erst aufkam, als es eigentlich schon zu spät war, sprich, nur noch die Zustimmung der Länderparlamente fehlte.
Klar habe ich im Nachhinein leicht reden, aber ich hatte nie geplant, den Betrieb hier einzustellen. Der Wirbel schien mir doch etwas zu groß, da ich vom reinen Bauchgefühl (und dafür fand ich durchaus Unterstützung) davon ausgegangen bin, dass Blogger nicht oder nur marginal von den Regelungen betroffen sein dürften. Im weitesten Sinne sind Blogs in meinen Augen ein journalistisches Angebot, zumindest würde ich dies im weitesten Sinne für mich in Anspruch nehmen. Wenn jemand regelmäßig aktuelle Geschehnisse in Politik, Boulevard oder Sport (sofern es da einen Unterschied gibt) kommentiert, müßte er nach meinem Verständnis ähnliche Regeln in Anspruch nehmen dürfen wie viele sogenannte Nachrichtenmagazine. Und dann schmelzen die Konsequenzen des JMStV zusammen.
Aber am Ende ist es doch anders gekommen, da in Nordrhein-Westfalen der Landtag geschlossen (!) gegen diese Novellierung gestimmt hat. Man muss sich das mal vor Augen führen: SPD und CDU haben auf Bundes- und Länderebene dieses Werk verbrochen, um es dann in NRW vor die Wand zu fahren. Auch die GRÜNEN und die FDP haben sich in anderen Parlamenten als Erfüllungsgehilfen erwiesen, selbst DIE LINKE hat sich in Berlin der SPD gebeugt – dennoch haben diese Parteien in NRW in ungewohnter Eintracht gegen die Novellierung des JMStV gestimmt.
Man sollte es nicht falsch verstehen – die Regelungen der Novellierung waren einmal mehr dazu angetan, in kleinen Schritten eine Infrastruktur zu schaffen, die gewisse Formen der Zensur erlaubt. Deshalb ist es gut und richtig, dass dieser Staatsvertrag gescheitert ist. Allerdings könnte man der Politik durchaus gute Ziele unterstellen – eine Jugendschutzinfrastruktur macht im Netz grundsätzlich was her. Allerdings denke ich, dass dieses Problem nicht nur nationale Gesetze gelöst werden kann, sondern in internationalen Fachgremien bearbeitet weren muss. Zum Beispiel könnte in technischen Standards festgelegt werden, wie im HTML-Text der Seite eine Altersklassifikation umgesetzt werden kann, deren Auswertung dann der Clientsoftware (Browser des Nutzers) überlassen bleibt. So kann der Nutzer bzw. die Eltern für ihr Kind festlegen, welche Altersklassifikation überhaupt angezeigt werden und wie mit Inhalten ohne Alterseinstufung umgegangen werden soll. Und auf diesem technischen Standard braucht es dann auch kein Gesetz, sondern lediglich (leicht geschrieben) eine gute Medienkompetenz der Nutzer.
Aber in dieser Novellierung zeigte sich einmal mehr, dass Politiker in diesen Tagen das Medium Internet noch nicht verstehen. Sie fassen es als ein modernes Fernsehen auf, bei dem einige Sender an viele Empfänger ein Programm verteilen. Dummerweise ist im Internet eine Vielzahl der Empfänger gleichzeitg Sender und das auch noch örtlich unbeschränkt. Dieses Konstrukt ist nicht auf bisherige Art und Weise per Gesetz zu kontrollieren, aber diese Erkenntnis fehlt in den Parteien.
Gut, am Ende ist erst einmal nichts passiert. Doch jeder, der jetzt aufatmet, sollte nicht vergessen, dass dies nur ein Teilsieg ist. Die Länder verhandeln demnächst den Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV) neu. Und ich bin mir sicher, dass die Parteien sich nicht noch einmal so strategisch dumm verhalten werden wie bei diesem Mal in NRW. Außerdem gilt das alte Regelwerk natürlich weiterhin.
Deshalb kann ich nur raten, das Thema zu beobachten und diesmal deutlich eher aufzuschreien.