« Posts tagged rudi völler

Völler stellt die Qualitätsfrage

Die deutsche Fußballnationalmannschaft hat in den letzten Tagen kein gutes Bild abgeliefert. Einem schmeichelhaften 3:3 gegen die Ukraine folgten eine 0:1-Niederlage gegen Polen und ein 0:2 gegen Kolumbien. Ein Jahr vor dem Start der Europameisterschaft im eigenen Land sind diese Ergebnisse gegen ordentliche, aber keinesfalls übermäßig starke Gegner kein gutes Zeichen. Nicht nur die Ergebnisse sind ernüchternd, auch das spielerische Zustandekommen hinterlässt ratlose Gesichter.

Natürlich wird – die Regeln des Profifußballs gelten auch beim DFB – an dieser Stelle der Trainer Hansi Flick in Frage gestellt. Davon will der Sportdirektor Rudi Völler aber nichts wissen. Er sieht das Problem in der Qualität der Spieler.

"Heute waren einige dabei, die wir im September nicht mehr sehen werden"
Völler droht einigen Nationalspielern mit dem Aus
Rudi Völler hat nach dem 0:2 gegen Kolumbien Hansi Flick erneut in Schutz genommen - dafür stellte er umso deutlicher die Qualität einiger Spieler in Frage.
Auszug aus dem Kicker

Das kann man natürlich so machen. Die Folgefrage ist aber: welches Spielermaterial stand denn da gegen Kolumbien auf dem Platz, dass man so erhebliche Zweifel an der Qualität der Kicker haben muss?

Ich habe mir mal die eingesetzten Sportsfreunde angeschaut hinsichtlich der Titel, die sie im Laufe der Karriere eingesammelt haben. Bei den Pokalsiegen haben ich diese ganzen englischen Pokale rausgenommen, die blähen das ganze nur auf, aber das Bild ist relativ klar. Die Daten habe ich mir von der Kickerseite geholt, sie erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit oder absolute Richtigkeit.

Die Hälfte der Startspieler haben die Champions-League gewinnen können, ebenso viele sind mehrfache Meister und/oder Pokalsieger in ihren jeweiligen Einsatzländern. Lediglich Herr Thiaw hat noch keine großen Erfolge vorzuweisen, ist aber kurioserweise spielerisch wahrscheinlich der Gewinner dieser Länderspielpause. Ich fand, dass er seine Sache ganz gut gemacht und sich für weitere Einsätze empfohlen hat.

Auch die Einwechselspieler sind hochklassige Kicker, die schon Erfolge vorweisen können. Nur Herr Füllkrug hat noch keine Mannschaftstitel gewinnen können, ist aber immerhin aktueller Torschützenkönig der Bundesliga und hat in seinen bisherigen Länderspielen eine ganz gute Trefferquote vorzuweisen.

Zugegeben, die nicht eingewechselten Spieler können nicht alle mit diesen Titelsammlungen mithalten. Aber die Herren Trapp und Kehrer reihen sich zahlenmäßig perfekt in die obige Aufstellung ein, Herr Ginter hat als junger Spieler immerhin zur Weltmeisterschaft 2014 beigetragen. Denen kann man aber sowieso am gestrigen Misserfolg keine Schuld geben.

Wenn also Herr Völler von mangelhafter Qualität bei den Spielern redet, weiß ich nicht, was er meint oder was er sich erhofft. Da standen fünfzehn Fußballspieler auf dem Platz, von denen dreizehn bei so guten Vereinen spielen, dass sie mehr oder minder regelmäßig Titel gewinnen. Wie viel besser soll das zur Verfügung stehende Spielermaterial denn noch werden? Und woher soll es kommen?

Fast alle Spieler haben in ihren Vereinen ihre Qualität unter Beweis gestellt, ich sehe nicht allzu viele aktive deutsche Spieler, die sich nahtlos in diese Aufstellung einreihen könnten. Klar, einzelne Namen wie Niklas Süle kann man in den Raum werfen, aber der Gesamteindruck bleibt doch: da stand eine Mannschaft auf dem Platz, deren Einzelsportler jeder für sich betrachtet sehr erfolgreich und qualitativ hochklassig sind.

Mir scheint es eher, als wolle Rudi Völler lieber unter den Spielern nach Bauernopfer suchen, um nicht an die ganz offensichtliche Problematik zu müssen: wenn so viele hochdekorierte Fußballer nicht gemeinsam erfolgreich spielen können, liegt es vielleicht auch an demjenigen, der ihr Zusammenspiel orchestrieren und planen soll – dem Trainer.