Vitaminspritzen

Nach den Berichten über systematisches Doping im westdeutschen Sport inklusive der Fußballnationalmannschaft von 1966 scheinen die Dopingenthüllungen nun endlich Deutschlands liebste Sportart erreicht zu haben.

Klar, jetzt springen alle auf und schreien, dass Doping im Fußball sinnlos wäre, schließlich kommt es bei diesem Sport auf Technik und Spielverständnis an. Doch wenn man genau drauf schaut, ist dieses Argument fadenscheinig.

Für den Spieler ist individuelles Doping sinnvoll. Es geht für ihn um hochdotierte Verträge, Einsatzzeiten und Ruhm und Ehre. Da kann eine künstlich gesteigerte Fitness oder eine bessere Endgeschwindigkeit der entscheidende Unterschied zwischen Karrierestillstand auf der Bank oder karrierefördernden Einsatzzeiten sein. Vielleicht lässt sich eine Verletzungspause durch Chemie verkürzen, um wieder Erfolg zu haben. In allen Varianten ist es für den Spieler verlockend, seine Karierechancen durch Doping zu verbessern und sei es nur, um Waffengleichheit zu schaffen.

Doch auf für die Mannschaften, seien es Nationalteams oder Vereine, ist systematisches Doping eine erwägenswerte Alternative. Durch Doping besteht die Möglichkeit, Fitnessprogramme auf eine Minimum zu reduzieren und sich im Training auf die wesentlichen Elemente wie Ballspiel und Taktik zu konzentrieren. Gerade im harten Konkurrenzkampf um Tabellenplätze könnte sich ein Verein so leichte Vorteile sichern. Gute Platzierungen bedeuten einen größeren Zugriff auf Fernsehgelder, die Spielberechtigung im internationalen Wettbewerb bedeutet einen zusätzlichen Geldfluß in Millionenhöhe. Da kann mir doch keiner erzählen wollen, dass skrupellose Manager oder Trainer, für die es ja auch um individuelle Prämien und Ruhm geht, nicht in die Versuchung geraten, durch „hilfreiche Medizin“ den Spielern zusätzliche Reserven zu verschaffen.

Dabei sollte man auch nicht vergessen, dass die Vereine ihre hohen Investitionen in die Spieler auch sichern müssen. Da kann Doping sicherlich hilfreich sein, den teuren Spielern Beine zu machen, sie schneller genesen zu lassen und so auch den Marktwert ggf. zu steigern.

Bei all diesen positiven Aspekten des Dopings für die Beteiligten halte ich es für völlig weltfremd, davon auszugehen, dass der Fußball sauber sei. Im Gegenteil: die riesigen Summen, die im Spiel sind, die relativ laschen Kontrollen und die Möglichkeit, sich Vorteile zu verschaffen, laden dazu ein, zur verbotenen Apotheke zu greifen. In der Vergangenheit waren alle Dopingvergehen im deutschen Fußball unglückliche Verkettungen von Zufällen oder wurden nicht verfolgt, was für mich eher ein Indiz für eine lasche, vielleicht sogar schützende Vorgehensweise des Verbandes ist als für die Sauberkeit des Sports.

Außerdem: 1966 hat der Kaiser schon seine „Vitaminspritzen“ bekommen.

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