Jedem das Seine

"Jedem den Seinen" – diesen Werbespruch haben Tchibo und Esso nun zurückgezogen, da er als Abwandlung von "Jedem das Seine" die Gefühle der ca. 100 000 Juden in Deutschland verletzen könnte. Schließlich stand der Originalspruch als "Motto" an der Tür des KZ Buchenwald. Entsprechend künstlich groß ist die Empörung der üblichen Verdächtigen. Auf demselben Weg wurden schon Nokia und Rewe in ihre Werbeschranken verwiesen, die den im wahrsten Sinne des Wortes uralten Rechtsleitspruch für ihre Zwecke verwenden wollten.

Ich hoffe nur, dass nicht jeder Ausspruch, der je von einem Nazi in den Mund genommen bzw. verwendet wurde, demnächst moralisch verpönt ist. Das könnte unsere Sprache deutlich ärmer werden lassen. Ein gewisses Fingerspitzengefühl darf man nicht nur von den Werbetreibenden erwarten, auch die "moralischen Instanzen" müssen die Sinnhaftigkeit mancher Bewertung überdenken. Besonders im vorliegenden Fall könnte ich mir gut vorstellen, dass maximal (!) 15% der Bevölkerung überhaupt vom Mißbrauch des Ausspruches durch die Nazis wußten. Wieviele davon diesen Spruch tatsächlich als nationalsozialistisches Gedankengut einstufen würde, wage ich nicht abzuschätzen – die Zahl dürfte enorm klein sein. Im Fall von "Arbeit macht frei" sieht das freilich anders aus, aber ich kann mich nicht erinnern, dass dieser Spruch zu Werbezwecken eingesetzt werden sollte.

In diesem Sinne: Jedem das Seine – mir das Meiste.

Comments (7)

  1. 11:11, 14. Januar 2009Oliver  / Antworten

    Anprangern darf man das und soll man ja auch in einer Demokratie. Hier wird nur das Recht der freien Meinungsäußerung ausgeübt.

    Die Werber ziehen die Sache zurück, wahrscheinlich weil sie gemerkt haben, dass sie sich mit dem Spruch auf dem Holzweg befanden. Ist ja auch irgendwo verständlich.

    Unverständlich finde ich, wie man trotzdem zu dem Spruch greifen konnte, wo es doch schon in der Vergangenheit Probleme damit gab. Das erinnert mich an eine Metapher, in der jemand immer nur mit dem Kopf durch die Wand wollte.

    Also liebe Werber von Tchibo und Esso, setzen Sechs, eine wenig Nachhilfeunterricht in Geschichte nehmen und das nächste Mal besser arbeiten 😉

  2. 11:23, 14. Januar 2009Das Noyse.net Blog  / Antworten

    Gerade bin ich etwas ungehalten. Wie ich gerade bei FAZ.net via jurabilis! gelesen habe, wird sich über die Tschibo Kampagne ?Jedem den Seinen? wiedereinmal aufgeregt, weil dieser Ausspruch (in etwa!) so über dem KZ Buchenwald stand. Sogleich wir…

  3. 13:07, 14. Januar 2009MG  / Antworten

    Wie du ja oben lesen kannst, sehe ich das ganze etwas anders. Ich halte es für gefährlich, demnächst präventive Selbstzensur zu üben, denn es bleibt ja zu befürchten, dass jeder althergebrachte Spruch von irgendeiner Nazi-Größe mal in den Mund genommen wurde. Diese moralische Empörung sollte man auf wenige Aussprüche wie „Arbeit macht frei“ beschränken. „Jedem das Seine“ ist in meinen Aufgen nicht derart boshaft besetzt, dass man diese Worte verteufeln muss.

  4. 11:52, 15. Januar 2009Christian  / Antworten

    Der Vergleich hinkt. Es geht nicht um darum, daß „irgendeine Nazi-Größe“ den Spruch „mal in den Mund genommen“ hat. Das Zitat wurde im Wissen um seine bisherige Bedeutung am Tor eines Konzentrationslagers angebracht und in sein Gegenteil umgedeutet. Diese Nazi-Interpretation des ursprünglich harmlosen Zitates schwingt natürlich nun bei jeder weiteren Benutzung mit. Das sollte ein Werbetreibender wissen, und darum ist die Empörung auch völlig in Ordnung.

    (Eine weitere URL geöffnet haben, um kommentieren zu können, ist übrigens eine dusselige Einrichtung – „Verstand in Gefahr“ liegt eher dort.)

  5. 11:41, 16. Januar 2009Oliver  / Antworten

    Nun ja, Tchibo und Esso selbst sehen es offenbar anders und ziehen auch die Werbung zurück.

    Wenn es nicht so gefährlich wäre, dann würde sie die Sache lockerer sehen.

  6. 12:55, 12. März 2009Verstand in Gefahr?!  / Antworten

    Jetzt ist auch noch die NRW-Schülerunion in die Falle getappt und wollte mit dem Slogan „Jedem das Seine“ eine Protestkampagne bewerben. Ob gezielte Provokation oder pures Unwissen, die Mama-Partei CDU hat das ganze aus Vorsicht mal lieber abgeb

  7. 13:34, 12. März 2009Jens  / Antworten

    Also manchmal finde ich es einfach zu viel. Ich kann mir nicht helfen, aber warum können die Leute nicht einfach mal Ruhe geben. Die Nazis sind weg. Wir haben diese Art Welt nicht mehr. Und darum sollte man das endlich auch mal begreifen. Wir werden immer wieder als Nazis dargestellt und das haftet uns an wie ein alter Kaugummi und mich ärgert das weil wir können nichts mehr dafür und darum sollte man das endlich akzeptieren denn es hilft nicht immer und immer wieder drauf rumzureiten.

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